Geraldine Gaul verbindet man unweigerlich mit den Anfängen der TV-Ansagen im frühen Privatfernsehen.
Ende der 1980er Jahre waren Programm-Moderationen im deutschen Fernsehen noch weit verbreitet. Während für viele Zuschauer die Programmansage der eigentliche Begriff dafür war, achtete SAT.1 darauf, dass wir unsere Texte für die Ansagen selber schrieben - somit waren wir Moderatoren. Eine Ansagerin, die es zb bei anderen Sendern auch klassisch gab, sprach nur die Texte, die ihre Redaktion für sie verfasst hatte.
Ich war in den späten 1980er Jahren beides. Zunächst Ansagerin beim Sender Freies Berlin SFB (heute rbb) und dann Programm-Moderatorin bei SAT.1. Diesen Job verdankte ich der wunderbaren Marion Matschoss, selbst in der Programm-Moderation für SAT.1 vor der Kamera tätig. Marion Matschoß lernte ich bei einem Werbe-Casting kennen. Dort waren Kolleginnen von ca 20 verschiedenen Sendern vor Ort! Marion sprach mich an, ob ich nicht für SAT.1 arbeiten wollte/will! ...dass da der Text SELBST verfasst werden mußte, verriet sie nicht. Also flog und fuhr ich nach Ludwigshafen und stellte mich vor…. Wurde genommen ….und verfasste eigene Ansage-Texte!!
Ich durfte in der Pionierzeit des deutschen Privatfernsehens allabendlich (bzw. in meinem Fall eher alltäglich) die vielen Zuschauer beim Sender mit dem bunten Ball begrüßen.
Angefangen hatte ich als kleines Mädchen beim Ballet an der Deutschen Oper Berlin bei Tatjana Gsobsky und Gerd Reinholm. An der Hochschule der Künste lernte ich Gesang und am Max Reinhardt Seminar in Wien das Schauspiel. Dort bekam ich wunderbare Angebote - aber in Wien hatte ich Heimweh und so war ich 3 Tage nach der Abschlussprüfung wieder in Berlin. Glücklich, aber ohne Job. Zwar konnte ich Rollen in Fernsehfilmen - und eine im „Tatort“ - übernehmen, die meiste Zeit war ich jedoch nur mit Synchronisierung beschäftigt.
Damals hätte ich nie gedacht, die Zuschauer eines relativ neuen Privatsenders durch das Programm zu begleiten - aber der Job war klasse.
Ich reiste meist einen Tag vor den Drehs aus Berlin (wo ich bis heute lebe) an. Anfangs nach Ludwigshafen (wo SAT.1 zu Beginn ein kleines Ansagestudio hatte) und später dann nach Mainz. Dort baute der Sender für unsere Moderationen ein relativ großes Set mit einer Treppe, viel indirekter Beleuchtung und Platz, sich während der Anmoderationen auch bewegen zu können. Es gab meist zwei Schichten für die Programm-Moderation, die Kolleginnen der Früh- und Spätschicht begegneten sich aber meist nur kurz (wenn überhaupt).
Da unser Chef andere Damen für „passender“ hielt, bekam ich zumeist die frühen Ansagedienste. So saß ich nach dem Frühstück im Hotel zeitnah im Büro, wo die Texte geschrieben werden mussten. Anfangs schrieben wir unsere Anmoderationen auf gelbe Karteikarten, später wurde ein Teleprompter angeschafft, dieser musste von uns aber auch mit den entsprechenden Texten auf kleinen Rollen gefüllt werden.
An viele der damaligen Sendungen erinnere ich mich nicht mehr zu 100%, aber es gab durchaus Programme, die ich damals nicht nur angesagt sondern auch selbst gern gesehen habe bei SAT.1: Die s/w Serie „Mr Ed“ zum Beispiel - oder die australische Soap „Nachbarn“, in der Kylie Minogue ihre Karriere startete.
Wenn die Texte geschrieben waren, ging es in die Maske. Wir SAT.1-Damen waren für unsere bunten, farbenfrohen Kostüme bekannt bei den Zuschauern. Da das Studio sehr dezent in weiß gestaltet war, fielen unsere Klamotten natürlich noch mehr ins Auge.
Die meisten Ansagen waren live. Wir konnten während die Sendungen liefen etwas essen oder nochmal die Dienste der folgenden Tage durcharbeiten. Es gab auch einen wunderbaren Garten voller Kirschbäume, direkt neben dem Sendegebäude. Hier habe ich mich, während z.B. ein Spielfilm oder eine Serie lief, auf den Rasen unter die prächtigen Bäume gesetzt, und die Kirschen fielen mir buchstäblich direkt in den Mund.
Der frühe Dienst endete meist gegen 17 Uhr, dann kam die Kollegin fürs Abendprogramm. SAT.1 hatte vor meiner aktiven Zeit auch mal einen Ansager bzw Programm-Moderator, während meiner Tätigkeit bestand das Team jedoch nur aus Mädels. Zu einigen, wie z.B. Karin Jacoby, habe ich bis heute den Kontakt halten können.
Wenn es einmal vorkam, dass man mir die Abendansagen zuteilte (da war der Chef wohl krank?), dann durfte ich auch die großen Zuschauerhighlights wie den „FilmFilm“ ankündigen. Der „FilmFilm“ war entweder ein Kultfilm oder eine deutsche Film Free-TV Premiere. In Zeiten als Mediatheken oder Pay TV noch weit weg waren, konnte man mit der Anmoderation eines solchen Kinohits viele Millionen Menschen für SAT.1 begeistern. Es waren Zeiten, wo wir sogar gleichauf oder teils auch mal vor RTL lagen. Lange her, aber es waren tolle Zeiten.
Samstags liefen abends im Spätprogramm die legendären Erotikfilme. Eigentlich harmlos aus heutiger Sicht, für viele aber in den 1980er Jahren fast schon Pornografie. Ich habe die Sexklamotten gern mit einem Augenzwinkern anmoderiert, hatte auch mal Plüschschweine zur Hilfe genommen, die während meiner Ansage dann Dinge taten, die man eigentlich vor Kameras nicht machen sollte - aber der Humor kam stets gut an.
1992 wurde ich schwanger - und wechselte von der Programmansage zum SAT.1 Frühstücksfernsehen. Hier klingelte mein Wecker noch früher (meist gegen 1 Uhr) - aber frühes Aufstehen stellt bis heute kein Problem für mich dar. Beim Frühstücksfernsehen moderiere ich bis kurz vor der Entbindung, auch war damals geplant, so schnell wie möglich wieder zur Ansage nach Mainz zurückzukehren.
Ich erinnere mich sehr gut an diese Zeit. 1992 hatten die Kollegen von RTL die Programmansage bereits schlagartig abgeschafft, und SAT.1 wusste nicht so recht, wie man mit der Situation noch umgehen sollte. Ich hatte das große Glück, damals kurzfristig eine Festanstellung erhalten zu haben, also wollte ich wieder arbeiten und rief in Mainz an.
Dort wusste man nichts so recht mit mir anzufangen. Man hatte fast das komplette „On Air Team“ der Moderation ausgetauscht. Am Telefon konnte oder wollte man mir nicht so recht weiterhelfen. So nach dem Motto „Wer sind Sie? Geraldine Gaul? Und was wollen Sie hier machen? Ansagen?“…. Ich hielt das für einen schlechten Scherz, bekam aber einen Termin beim neuen Senderchef Fred Kogel. Er musterte mich und hätte ich keine Festanstellung gehabt, so wäre ich wohl ohne eine Beschäftigung aus dem Büro herausgegangen…. Aber da der Sender mich ohnehin bezahlen musste, gab man mir kleinere Moderations- und Reporteraufgaben für das Frühstücksfernsehen - und als mein Vertrag auslief endete meine Arbeit für den Sender. Ebenso wie auch die Programm-Moderation, die kurz vor Jahreswechsel 1992/93 auch für SAT.1 keine Zukunft mehr haben sollte.
Ich war anschließend noch einige Zeit als Ansagerin für das gemeinsame Vormittagsprogramm von ARD und ZDF unter Führung des SFB vor der Kamera tätig. Inzwischen liegt das alles in der Vergangenheit, für mich gab und gibt es im Tierschutz und als Trauerrednerin ein Leben abseits der TV-Kameras. Aber der Zufall wollte es, dass ich in Berlin mit Marcel Schenk in Kontakt kam. Er kämpfte stets für uns AnsagerInnen und die Programm-Moderation. Beim Berliner Sender Astro TV hat er die Ansage zurück auf die Bildschirme geholt - und was soll ich sagen: auch mich hat er irgendwie dazu gebracht, auch wieder in die Kamera zu lächeln und den Zuschauern (teils in Original SAT.1 Ansage-Styling) viel Spaß und gute Unterhaltung zu wünschen.
Zur Person:
Geraldine Gaul wuchs in Berlin auf und lebt bis heute dort. Nach ihrer Schauspielausbildung wurde sie den Fernsehzuschauern durch Auftritte u.a. bei „Ein Heim für Tiere“ oder als Ansagerin im SFB bekannt. Als Programm-Moderatorin führte sie das Publikum durch das SAT.1 Programm, stand auch für das SAT.1 Frühstücksfernsehen, das gemeinsame Vormittagsprogramm von ARD & ZDF sowie den Sender 1A vor der Kamera. Seit 2021 ist Geraldine zeitweise als Ansagerin bei AstroTV zu sehen.