Wolfgang Roth, die Kultstimme von WDR 1

Veröffentlicht am 9. Juli 2020 um 12:06

Heute haben wir es mit einer ganz besonderen Ausgabe von „TVIP - Der Report“ zu tun. Wolfgang Roth, über viele Jahre u.a. DIE Stimme und Kult-Moderator der legendären 'Schlagerrallye“ auf WDR1.

Update Januar 2021:

Leider ist Wolfgang Roth am 14. Januar 2021 im Alter von 66 Jahren verstorben. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Ruhe in Frieden.

 

Heute haben wir es mit einer ganz besonderen Ausgabe von „TVIP - Der Report“ zu tun. Wolfgang Roth, über viele Jahre u.a. DIE Stimme und Kult-Moderator der legendären 'Schlagerrallye“ auf WDR1 (dem Vorgänger von 1Live), zeichnet die Abläufe aus der damaligen Zeit nach. Eine spezielle Ausgabe, die nicht nur mich in schönen Erinnerungen schwelgen lässt. Gute Unterhaltung.

 

Zunächst:

Dies schreibe ich alles aus der Erinnerung heraus, das hier Beschriebene liegt ja bereits 25-30 Jahre zurück. Es ist etwas umfangreicher als ein Tag, es ist eher die Beschreibung für einen Sendetag, weil es sonst den Zusammenhängen nicht gerecht wird. Es kann auch sein, dass sich kleinere Fehler einschleichen, weil sich der organisatorische und zeitliche Ablauf im Laufe der etwas mehr als zehn Jahre andauernden Tätigkeit und der mehrfachen Änderung der Sendezeiten mehrfach verändert hatte. Daher hier der Ablauf der letzten dreieinhalb bis acht Jahre der „Schlagerrallye“-Zeit:

Donnerstagnachmittags fahre ich mit dem Auto von Köln-Braunsfeld zur Redaktion im WDR um die 'Hörerjury' kennenzulernen bzw. zu treffen. Die restliche,- seit 17.00 Uhr,- laufende 'Abhörsitzung' der 'Hörerjury' (dies waren Hörerinnen und Hörer, die sich beim WDR für eben diese Jury beworben haben und einmal in der Woche, jeweils einen Monat lang, alle neuen, innerhalb der Woche erschienenen 80-120 Singles bzw. Single-CDs zusammen mit dem Redakteur oder der Redaktionsassistentin abgehört und Bewertungspunkte pro Titel vergeben haben. Mit dem Redakteur Adolf „Buddha“ Krämer und unserer Redaktionsassistentin besprecheich diverse Einzelheiten und die Post auf eventuelle Fragen gehe ich auch durch, ggf. werden diese durch die Redaktionsassistentin später schriftlich beantwortet. Freitagnachmittags hole ich den fertig von der Redaktionsassistentin vorbereiteten, 'Sendekoffer' mit den Tonträgern (Platten, CDs, Tonbänder, Unterlagen für die Sendung) in der Redaktion ab.

Samstag, der Tag der Sendung:
Um 09.00/10.00 Uhr, je nach Sendebeginn, gehe ich zunächst bei mir gegenüber im Supermarkt einkaufen. An der Kasse bekomme ich jedes Mal eine Krise, weil von zehn Kassen gerade mal zwei geöffnet sind, Riesenschlangen vor den geöffneten Kassen sind und weil sich die Damen der anderen Kassen an der Seite ihrer arbeitenden Kolleginnen anstellen, um schnell mal abkassiert zu werden um Pause zu machen – schließlich stellt man sich ja als Kassiererin nicht an den Riesenschlangen an. Nicht, dass ich den Damen ihre Pause nicht gönne, aber muss das gerade bei derartigem Andrang und Hochbetrieb sein und dann auch noch so viele Pausierer gleichzeitig?! Dies alles beeinflusst meinen Tagesablauf zeitlich. Ich beschließe für mich, mich in der nächsten Woche ins Auto zu setzen und zum, 800-1000m entfernten Discounter zu fahren, wo ich allemal schneller komplett mit Einkauf, kassieren und Hin- und Rückfahrt fertig bin.

Gegen 10:00/11.00 Uhr, je nach Sendebeginn, setze ich mich hin und rechne die Sendung durch – wann habe ich wieviel Zeit für welchen Inhalt und ist auch Zeit für Oldies oder Maxis, die erst spontan und kurzfristig von mir eingeplant werden? Evtl. höre ich mir auch die Tonträger noch mal kurz an, sofern ich sie nicht vorher schon gehört habe.

Gegen 11.30/12.30 Uhr, je nach Sendebeginn und je nach Verkehrslage etwas früher, nehme ich meinen Sendekoffer, meinen zweiten Koffer mit Jingles, Unterlegmusiken und schlauen Büchern und Unterlagen und fahre mit dem Auto ca.15 Minuten zum Sender, parke und eile zum Funkhaus. Manchmal erwarten mich dort am Empfang Hörerjury-Mitglieder, die der Sendung beiwohnen und sie live miterleben wollen und auch eine Neuvorstellung ansagen möchten. Ich nehme sie mit zum neuen Studio 11 bzw. davor ins Studio 14 in der 1.Etage (davor altes Studio 11 im 2.OG bzw. Studio 35 im 3.OG).

Um kurz vor 12.00/13.00 Uhr, je nach Sendebeginn, bereite ich mich am sogenannten Selbstfahrerpult des Studios mit zwei Platten- und drei CD-Spielern, drei Jingle-Maschinen, Mischpult und Bandmaschine vor und lege mir alles bereit, um zwei bzw. ab Oktober 1991 drei Stunden die Sendung „zu fahren“. Das technische Personal in der Regie öffnet den Regler für mein Mischpult, bzw. in den letzten Jahren ab etwa 1993 aktiviert es den „Autark-Betrieb“ des Studios und des Mischpultes, so dass ich dann direkt auf der 'Sendestraße' liege und somit noch erweiterte technische Möglichkeiten, aber auch mehr Verantwortung (z.B. Regler für die Nachrichten, aber auch den Telefonanschluss für die Sendung) habe. An dieser Stelle kommt mir sicher meine fernmeldetechnische Ausbildung und langjährige Tätigkeit in diesem Beruf zugute, so dass ich keine 'Angst' vor der Studio-Technik habe und auch schon mal defekte Geräte im laufenden Sendebetrieb austauschen lasse.

Ich versuche verbal den Hörerjury-Mitgliedern und später auch dem Kandidaten/der Kandidatin der Hörer-Neuvorstellung die Scheu vor dem Mikrofon und dem Live-Telefonat in der Sendung zu nehmen. Ich lege Tonträger auf, öffne ggf. Regler für die Hörerjury, Nachrichten und den 'TED'-Bediener, baue die Telefon-Verbindung für Hörerneuvorstellung und evtl. Kolleg(inn)en-Gespräch für eine Redaktions-Neuvorstellung auf und sende, inkl. der Werbung bis 15.00 Uhr. Um kurz vor 15.00 Uhr übernimmt zunächst das technische Personal die Sendestraße, um sie exakt um 15.00 Uhr, sofern SPORT UND MUSIK folgt, an das Studio 15 abzugeben (die Umschaltung direkt vom Studio 11 zu Studio 15 ist technisch nicht möglich und wenn kein Sport folgt, geht es ja eh weiter Im Studio 11). Anschließend packe ich, je nachdem welche Sendung nach mir kommt und ob dazu das Selbstfahrerpult benötigt wird, meine Sachen entweder am Pult oder in der Regie zusammen und verlasse das Studio und das Funkhaus und verabschiede mich draußen ggf. von der Hörerjury.

Zu der Zeit, als 'TED' nach der Sendung noch eine Stunde offen war, ging ich vor oder um 16.00 Uhr zum Büro der WDR-Fernmelder, um dort den Verlauf der TED-Anrufe zu verfolgen und/oder um 16.00 Uhr das Endergebnis mitzunehmen.

Manchmal gehe ich nach den Sendungen zur Nachbearbeitung der Sendungsunterlagen und Bearbeitung der Post noch ins Büro meines Redakteurs, manchmal erledige ich dies aber auch später zu Hause und bringe den Sendekoffer am darauffolgenden Dienstagabend ins Redaktionsbüro (weil ich dienstags abends eh noch einen regelmäßigen Termin in der Nähe des WDR habe), damit unsere Redaktionsassistentin den Koffer und die Unterlagen am folgenden Donnerstag wieder zur Verfügung hat.

Sofern ich sonntags den Kollegen Dave Colman in HIER FUNKT’S vertreten darf, hole ich entweder freitags oder samstags nachmittags ggf. im Sekretariat noch die Post für die Sendung ab und stelle dann im Lauf des Samstagabends die Musik zusammen. Sofern ich dienstags abends noch den Kollegen Dave Colman beim COUNTRY COUNTDOWN vertreten darf, bin ich entsprechend früher im Sekretariat und hole dort Unterlagen und Platten für diese Sendung ab.

Ende März 1995 habe ich dann sämtliche freien Mitarbeiter-Tätigkeiten für den WDR wegen des Sendestarts von 1LIVE beendet. Ab Oktober 1995 werde ich beim Lokalradio, RADIO BERG in Bergisch Gladbach als freier Mitarbeiter mit Live-Sendungen, Redaktionsdiensten am Wochenende, Live-Aufsagern und Beiträgen tätig.

Zur Person:
1954 wurde Wolfgang Roth in Köln geboren. Schon als Kind nervte er Eltern, Nachbarn und Verwandte mit eigenen „Sendungen“ auf Cassette. 1971 gründeten Freunde und er eine eigene Tonband-Produktion, in der Programme der Unterhaltung und unterschiedlicher Pop-, Jazz- und Soul-Musik über ein „Rundband-System“ verschickt wurden (A schickt die Bänder nach dem Hören weiter an B, B an C, C an D, usw.) wodurch ca. 200 Hörer in Deutschland und den Niederlanden erreicht wurden. Er machte ab 1972 eine Ausbildung als Fernmeldetechniker in einem deutschlandweiten und internationalen Industrie-Unternehmen, arbeitete nach der Ausbildung und der Bundeswehr-Zeit in den Rundfunk- und Fernsehstudios der Bundeswehr incl. Sprecher-Ausbildung bis 1986 im Außendienst und ab dann in der gleichen Firma im Büro mit unterschiedlichen Tätigkeiten bis 2001 zum Beginn seiner Krankheit, mit Rollstuhl-Pflichtigkeit.

Ab 1974 machte er bei einem Kölner Krankenhaus-Funk mit und von 1975 bis 1983 bei einem Anbieter von Programmen für etliche Kölner Altenheime. Beim WDR ergaben sich erste Redaktionsassistenz-Tätigkeiten in 1974, Aufnahme-Assistenz-Tätigkeiten sogar schon im November 1972 und zudem sporadisch ab 1979 bis 1984. Kurzzeitige Radioaktivitäten in der belgischen freien Radio-Szene waren Ende 1983/Anfang 1984 angesagt. Ab Ende März 1984 durfte er beim WDR bis März 1995 öffentlich-rechtliche Mikrofone besprechen und ab Oktober 1995 war er regelmäßig für das Lokalradio RADIO BERG tätig. Dieser Tätigkeit wurde im Januar 2001 durch den Beginn der Krankheit, die ihn ab Sommer 2001 rollstuhlpflichtig machte, abrupt ein Ende bereitet. Diese körperlichen Einschränkungen und Suboptimierungen der stimmlichen Lage, machten eine weitere Tätigkeit für RADIO BERG nicht möglich.

Im Dezember 2012 gab er für das Dortmunder Uni-Radio ELDORADIO vor Ort ein Interview mit Rückblicken.

Er lebt in Köln mit seiner Frau Angelika und mit Katze Chicca.