Tetje Mierendorf: "Als Sprecher ist man doch eher Einzelkämpfer."

Veröffentlicht am 15. Juni 2022 um 16:27

Wir kennen ihn noch aus der "Schillerstraße", "Frei Schnauze", "Mein großer dicker peinlicher Verlobter" und vielen weiteren Formaten: Tetje Mierendorf.

Morgens stehe ich meistens um 6:30 Uhr auf, um mit meiner Familie zu frühstücken, bevor es für meine Tochter in die Schule geht. Das ist auch so ziemlich die einzige Konstante in meinem Tagesablauf, da wirklich jeder Tag anders verläuft. Ich arbeite seit einigen Jahren hauptsächlich als Sprecher und synchronisiere Serien, Filme, spreche Dokumentationen, Hörbücher, Werbung, Hörspiele oder auch mal Ansagen für Katastrophenfälle. :-) Meine Stimme ist eigentlich immer irgendwo zu hören. Die wenigsten werden sie erkennen, selbst meine Eltern erkennen sie nicht. Gerade neulich haben sie mir von einer Serie vorgeschwärmt, die sie gesehen haben und in der ich die Hauptrolle gesprochen hatte. Sie haben mir fast den ganzen Inhalt erzählt - ich habe sie einfach reden lassen und später aufgelöst. Haha!

Ich bekomme zwar für Dokumentationen vorher die Texte, kann mich also darauf einstellen, wenn ich z.B. bei "Dr. Pimple Popper“ wieder weggucken muss, aber beim Synchron weiß ich vorher nie, was mich erwartet. An normalen Wochentagen bin ich ungefähr in 3-4 Studios unterwegs. Es gibt aber auch Tage, an denen mal gar nichts zu tun ist. Diese nutze ich dann, um Schreibkram zu erledigen.

Der bürokratische Aufwand ist seit ein paar Jahren wirklich immens geworden. Ich habe allein sechs verschiedene Abrechnungsarten beim Sprechen, die verwaltet werden müssen. Dazu kommt der Aufwand mit dem Finanzamt und der Rechteverwertungsgesellschaften. Letzteres habe ich inzwischen aber abgegeben.

Zu Hause habe ich mein eigenes Studio. Gerade während der Corona-Zeit konnte ich viel von zu Hause aus produzieren, was sehr viele Jobs gerettet hat. Dort produziere ich fast alles, wobei man natürlich sagen muss, dass es immer schöner ist, wenn man mit echten Menschen vor Ort arbeitet und die Regie nicht nur in Kilometern Entfernung über Kopfhörer hört. Gelegentlich übernehme ich selbst mal die Regie für Projekte, bin aber lieber selbst vor dem Mikrofon.

Einen nicht kleinen Teil des Tages sitze ich im Auto oder auf dem Roller, wenn das Wetter es zulässt; je nach Entfernung auch mit dem Fahrrad. Obwohl Hamburgs ÖPNV ganz gut aufgestellt ist, würde ich meine Termine damit nicht schaffen, denn die Studios sind im ganzen Hamburger Stadtgebiet verteilt. Irgendwann am Tag ist mein Körper dran. Ich mache jeden Tag Sport, am liebsten bis Mittag. Ich bin Mitglied in einem Fitnessstudio, das zwar nicht für eine besonders gute Ausstattung und Sauberkeit bekannt ist, aber sie haben einfach überall Studios und je nachdem, wo ich arbeite, kann ich ein Gym finden, wo ich mich fit halte. Sport ist zu einer täglichen Routine geworden. Notfalls muss ich auch mal um 5 Uhr aufstehen.

Demnächst werde ich wieder in einem Musical spielen und natürlich trotzdem weiterhin sprechen. Das ist zwar viel Arbeit, die ich aber gar nicht als solche empfinde, weil ich einfach meine Hobbys zum Beruf gemacht habe. Natürlich werde ich die Zeit mit meiner Familie vermissen, auf der anderen Seite freue ich mich, im Rahmen der Theaterarbeit wieder Teil eines künstlerischen Teams zu sein - als Sprecher ist man doch eher Einzelkämpfer, obwohl die Sprechercommunity toll ist.

Toll sind die Abende und Reisen mit der Familie, wo wir alle wieder auftanken können! Ich freue mich nach den Corona-Jahren wieder auf Reisen, auch wenn dies für ein weiteres Jahr musicalbedingt erstmal noch nicht so richtig geht.

Ich kenne auch das Leben im Büro und des Handwerks und finde alle Berufe spannend und toll. Ich liebe das Neue und habe bisher keinen Beruf kennengelernt, der mir mehr Abwechslung bringt. Ich bin froh und dankbar, dass ich so arbeiten darf!

 

Zur Person:

Tetje Mierendorf ist Schauspieler, Sänger, Sprecher, Moderator, Autor und Synchronregisseur. Der Hamburger startete 1995 seine Karriere auf der Bühne im Musical „Grease“, wo er nach seiner privaten Schauspiel- und Gesangsausbildung noch während seiner eingeschobenen Banklehre an fünf Abenden pro Woche auf der Bühne stand. Seine Bankkarriere gab er kurz nach der Ausbildung auf und es folgten weitere Musicals in Hamburg, bis er 2004 in dem Erfolgsformat „Mein großer dicker peinlicher Verlobter“ über Nacht bekannt wurde.
Es folgten weitere Fernsehformate wie „Schillerstraße“, „Frei Schnauze“, „Genial daneben“, diverse Filme, Serien und Shows, bis er sich wieder dem Musical zuwandte. Seit der Geburt seiner Tochter ist er hauptsächlich als Sprecher für Synchron, Dokumentationen, Werbung und Hörbücher tätig, macht aber auch Galas mit seinen Gesangsshows oder hält Vorträge zu seiner Lebensveränderung, nachdem er knapp 70 kg abgenommen hat, worüber er außerdem ein Buch geschrieben hat. Er lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Hamburg.