Roswitha Schreiner spielte im "Tatort", bei den "Wicherts von nebenan" war sie dabei und nicht zuletzt auch als Tochter von Manfred Krug in "Liebling Kreuzberg". Die neueste Ausgabe von TVIP-Der Report.
2:20 Uhr. Ich öffne ein Auge, großer Fehler, bin sofort hellwach.
Der Kopfhörer in den Haaren verheddert, die Lesebrille noch auf der Nase. WANN und WIE bin ich denn gestern wieder eingeschlafen? Immer dasselbe:
Bis ich meine Kinder im Bett und das Licht aus habe, bin ich selbst so müde, dass die herbeigesehnte „Zeit für mich“ wie ein Häufchen Schnee schmilzt. Ich habe das Gefühl ein Hirtenhund zu sein. Einer dem die Schafe auf dem Kopf rumtanzen und lustig blökend umher tollen, bis er laut losbellt.
Ist endlich Ruhe eingekehrt, jeder Kummer von der Seele gesprochen über herrische Lehrerinnen, Schule und Co., nehme ich in freudiger Erwartung mein Handy in die Hand. Nach dem Motto „Hurra geschafft“, will ich mir endlich meine Nachrichten anschauen, aber schlafe weg. Einfach weg! Widerstand zwecklos. Wenn ich dann um 2.20 Uhr kurz aufwache, bin ich nach fast 5 Stunden Schlaf putzmunter.
Früher hätte ich mich friedlich umgedreht und weitergeschlafen, aber nun rotiert mein Geist zwischen der Vernunft, mir noch ein paar Stunden Schlaf zu gönnen und der Neugierde endlich meine Nachrichten abzuhören. Ich will auch meinen Wissensdurst im Internet zu stillen, was in der Welt so abgeht. Und das ist seit geraumer Zeit echt viel.
Wenn um 5.45h Uhr der Wecker klingelt und ein neuer Tag startet, ist jeder Moment getaktet. Ich gönne mir erst mal 15 Minuten schreiben nach Zeit. Danach Geschirrspüler ausräumen, Wäsche aufhängen, während abwechselnd Grießbrei oder Milchreis auf dem Herd köcheln. Mein Sohn liebt warmes Frühstück. Meine Tochter liebt es eher ihre Haare zu kämmen, nach dem dritten schicken Gürtel zu fahnden und sorgsam die Farbe ihrer Socken auszusuchen. Sie endet mit einem Butterbrot im Auto, wenn der Hirtenhund wieder laut gebellt hat, um zum Aufbruch zu mahnen.
Heute müssen die Kinder den Bus nehmen. Ich moderiere um 9.30h in Fürstenwalde für kleine Kitakinder lustige Kurzfilme, um sie im Auftrag des Kultursenats mit dem Medium Kino vertraut zu machen. Das habe ich vor ein paar Jahren zufällig begonnen, weil meine Kinder, damals fast 4 Jahre alt, unbedingt ins Kino wollten. Ausgerechnet an der Tür unseres Kinos klebte ein Zettel: „suchen Moderatorin für Kita-Kinder-Kurzfilme“. Mein Gedanke: „Prima, Kitakinder bringe ich noch selber mit und moderieren kann
ich auch.“
In den nächsten 3 Jahren begleiteten mich meine Kinder zu den Moderationen in mehreren Städten und moderierten gleich noch mit. Wir entwickelten immer mehr Spaß am Moderieren und als sie dann älter wurden und das gemeinsame Vergnügen dem Schulalltag wich, bin ich dabei geblieben. Zu nett ist es, die leuchtenden Kinderaugen zu sehen und mit den Kindern zu toben, zu turnen und zu lachen. Ich habe viel dazu gelernt, gelernt zu improvisieren und die Kinder mit Fragen abzuholen. Jede neue Vorstellung ist voller Überraschungen, weil man sein Publikum vorher nicht einschätzen kann. Kinder lassen sich herrlich mitreißen. Nebenbei darf ich noch die wunderschönen und liebevoll gestalteten Kurzfilme genießen. Das steht heute Vormittag auf meiner Agenda.
Gestern waren meine Tochter und ich im Tonstudio und wir haben die letzten Aufnahmen für mein Weihnachtsbuch „Enzo und der Weihnachtsmann- als die Welt nicht mehr in Klang war“, zu Ende eingesprochen. Es ist nach meinem Buch „Blickwinkel, die etwas andere Biografie“ und dem Kinderbuch „Leonies Haus“, inzwischen mein drittes Buch und wird im November 2022 erscheinen. Eine spannende Geschichte über einen quirligen Jungen, der auf Grund seines Wesens den Auftrag erhält, den Weihnachtsmann zu retten und die Welt von einem bösen Zauberer zu befreien, der die Menschen verstummen lässt.
Heute werde ich mich nach der Moderation an den Schreibtisch setzen, um die letzten Textänderungen vorzunehmen, die sich gestern zwangsläufig ergeben haben. Vor allem Kinder haben ihre eigene Sprache, die sich erst bei den Aufnahmen ergibt. Auch wir Schauspieler ändern manchmal unseren Text, wenn er dadurch lebendiger wird. Nicht jeder Drehbuchautor ist davon begeistert, aber Papier ist geduldig und gesprochene Sprache eben nicht.
Wieder zu Hause, schlage ich eine Schneise in das morgendlich hinterlassene Chaos, sammele Wäschestücke ein, räume das Frühstücksgeschirr weg, mache die Betten und gieße meine Blumen auf der Terrasse. Wenn ich schreibe, brauche ich Ordnung um mich herum und das Gefühl die wichtigste Hausarbeit hinter mir zu haben. Sonst fehlt mir der Fokus. Und auf geht’s. Ich schreibe.
Unglaublich wie schnell die Zeit beim Schreiben verfliegt. Aber ist das nicht immer so, wenn man Dinge mit Leidenschaft macht? Danach noch kurz in die Fanpost schauen und E-Mails checken. Meine Agentin hat mir eine Einladung zu einem Casting geschickt. Ich rufe sie an, um Näheres zu erfahren und gelobe, es mir später genauer anzuschauen. Dazu braucht es einen freien Kopf.
Schon ist es an der Zeit meine Kinder von der Schule abzuholen und mit ihnen zum Radsport zu fahren. Später wieder daheim, werfe ich einen ersten Blick aufs Casting und verziehe mich in den Garten. Leider hat er jedesmal die fatale Angewohnheit, mich länger in Anspruch zu nehmen als geplant. Trotzdem sieht er aus , als wäre er der verwildertste Garten in der ganzen Umgebung.
Die Äpfel liegen vorwurfsvoll am Boden und Ameisen beweisen mir, dass diese Früchte eigentlich lecker wären. Ich sammele ein kleines Körbchen voll ein für Apfelmus und vertröste mich und die Äpfel mit dem Gedanken: wenn Du morgen mehr Zeit hast, dann reicht es auch für einen Apfelkuchen. Und während ich diese Zeilen schreibe, regt sich mein schlechtes Gewissen, weil die Mirabellen schon seit geraumer Zeit lustig gelb am Baum hängen und auch geerntet sein wollen. Und neben dem neuen Baumhaus meines Sohnes, glänzen bereits verheißungsvoll Pflaumen üppig am Baum. Ja, der Garten ist ein großer Lehrmeister zum Thema Vergänglichkeit und Lebenszeit. Früchte folgen dem Rhythmus der Natur, sie sind reif, wenn sie reif sind und warten nicht auf mich.
Während meine Kinder fröhlich auf dem Trampolin hopsen und vom Trampolin in den Pool, gieße ich noch die Kartoffeln und Tomaten. Das ist meine kleine Insel der Meditation. Die Gedanken schweifen ab zu meinem nächsten Schreibprojekt, dass ich wieder als Hörbuch rausgeben werde. Eine Komödie über einen chaotischen Ehealltag mit Zwillingen, Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind natürlich rein zufällig :))
Ich atme durch und genieße den Duft unserer großen Blautanne. Am Boden sprießen kleine Grasstauden. Ich bin jedesmal erstaunt, wie die Natur sich schon nach dem kleinsten Regen durchsetzt. Bis mein Sohn laut aufjault, weil seine Schwester beim Springen auf dem Trampolin mit dem Kopf gegen sein Kinn gestoßen ist und er sich ein Stück Schneide-Zahn abgebrochen hat. Wir flitzen zum Zahnarzt nebenan, der Zahnarzt hat schon zu, muss ich morgen einen Termin ausmachen. Nie verläuft es nach Plan.
Ich hätte Lust noch weiter an meinem neuen Buch zu schreiben, aber heute geht das Casting und mein Beitrag für „Ein Tag aus meinem Leben“ vor. Der Tag neigt sich dem Ende zu und ich frage mich, wieso jetzt schon? Ich hab doch noch so viel vor.
Zur Person:
Roswitha Schreiner ist seit über drei Jahrzehnten als Schauspielerin ein bekanntes Fernsehgesicht.
"Die Wicherts von nebenan", "Liebling Kreuzberg" „TATORT" oder "Rote Rosen“, um nur einige ihrer prägnantesten Rollen zu nennen, haben sie dem Zuschauer vertraut gemacht. Sie ist Mutter von Zwillingen, hat inzwischen zwei Bücher veröffentlicht und liest leidenschaftlich gern Geschichten als Hörbücher ein. Zu Weihnachten 2022 werden zwei Hörbücher mit ihr auf den Markt kommen: „Der Glücksbringer der Skikinder“ von Anka Chilla und „Enzo und der Weihnachtsmann, als die Welt nicht mehr Klang war“ , Roswithas drittes Buch.