Marc Breuer: "Wenn man Zuschauer einbindet, muss man sich auf Überraschungen aller Art gefasst machen"

Veröffentlicht am 25. August 2022 um 07:48

Der fiktive Charakter "Löschmeister Josef Jackels" ist seine Paraderolle. Für TVIP-Der Report schreibt der Comedian Marc Breuer über einen Tag in seinem Leben.

Ich bin Comedian von Beruf. Von daher arbeite ich insbesondere in den Abendstunden. Da wir Kinder im Schulalter haben, fängt der Tag morgens trotzdem in aller Regel relativ früh an. Sind die beiden Racker versorgt und mit Pausenbroten bestückt auf dem Weg zur Schule, setze ich mich an den Schreibtisch. Die Pausenbrote kommen übrigens meistens oft als Retoure zurück.

 

Konnte ich mich in der Nacht davor allerdings erst sehr spät schlafen legen, da es einen Auftritt weiter weg gab, gönne ich mir auch schon einmal einen Nachschlag Schlaf. Im Normalfall aber geht es, wie gesagt, nach dem Frühstück los mit der Büroarbeit. Da heißt es dann texten, proben, umbauen, organisieren oder nicht zuletzt auch Administration betreiben. Irgendetwas liegt immer an.

 

Das Proben nimmt oft die meiste Zeit ein. Insbesondere bei der Entwicklung eines neuen vollen Abendprogrammes. Vorher muss es natürlich schon ein Manuskript geben, ein Textbuch fürs Programm. Dieses wird viele Male umgebaut, verbessert und wieder über den Haufen geworfen. Irgendwann aber fühlt es sich fertig und richtig an.

 

Dann muss ich die rund 25 bis 30 Schreibmaschinenseiten - für gut 90 Minuten Programm – auswendig lernen. Im nächsten Schritt entsteht mit der Hilfe eines Regisseurs dann das, was die Zuschauer unterhalten und zum Lachen bringen soll. Quasi die visuelle Form des Textbuches.

 

Die „Bühnenshow“, das „One-Man-Comedy-Stück“. In meinem Fall als abendfüllende Figuren-Comedy mit mehreren Characters und fliegenden Wechseln zwischen den Szenen. Vor der eigentlichen Premiere spielen wir Comedians gerne noch eine Anzahl von Vorpremieren oder Testvorstellungen, um herauszubekommen, wo das Stück noch wackelt, wo es Längen hat oder wo sich die Nummern für die Leute noch nicht richtig erschließen.

 

Live kann man gut und schnell erkennen, was die Leute amüsiert und unterhält - und was weniger taugt und schleunigst aus dem Programm entfernt werden sollte. So kann ein Stück binnen weniger Vorstellungen gut „reifen“ und kürzer, prägnanter und witziger werden. Das ist eine interessante Arbeitsphase. Ich mag das einerseits sehr, weil diese Abende voller Überraschungen sind. Andererseits bin ich aber auch immer heilfroh, wenn die Kinderkrankheiten überwunden sind und das Stück richtig fluppt und groovt.

 

Zu diesem Punkt kommt man, von der konzentrierten Arbeit am Schreibtisch einmal abgesehen, dann durch Spielen, Spielen, Spielen. Diese Entwicklung setzt sich über die Phase der Vorpremieren hinaus immer weiter fort. Anders als ein Schriftsteller oder ein Filmemacher, kann ein Kabarettist oder Comedian sein Werk nach der Veröffentlichung ändern, aktualisieren und stetig verbessern. Wenn ein Comedy-Live-Programm z.B. nach drei Jahren und zahlreichen Vorstellungen abgespielt ist und außer Dienst gestellt wird, denke ich einerseits immer, „Ach, wie schade. Jetzt muss ich diese oder jene Lieblingsnummer ad acta legen!“. Andererseits macht auch die Abwechslung viel Freude und man geht auch immer mit Eifer wieder an das neue Material.

 

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle aber ja einen ganz normalen Arbeitstag schildern. Von daher weg vom Thema „Wie entsteht ein Programm?“. Zurück zu einem ganz normalen Donnerstagmorgen. 10:30 Uhr, zweite Kaffeetasse. An Auftrittstagen: Noch ca. 6 Stunden Zeit bis zur Abfahrt zum Auftritt in der Stadt XY am Spielort XYZ.

Die Zeit am Schreibtisch vergeht im Grunde immer sehr schnell. Das liegt neben der alltäglichen Hektik - ich schaffe es leider nicht ohne - auch daran, dass die Arbeit sehr vielgestaltig ist. Als selbstständiger Künstler ist man sein eigener Kapitän mit allen Vor- und Nachteilen, die das so mit sich bringt. Gefährlich ist eigentlich nur, wenn man z.B. wegen einer kurzen Auskunft mit einem Kollegen telefoniert und sich dann 45 Minuten festplaudert. Aber die vor mir liegende handgeschriebene To-do-Liste hält mich meistens davon ab. Aber das Problem haben andere Berufsgruppen ja durchaus auch.

 

Die meisten meiner Veranstaltungen spiele ich im Radius von 100 bis 200 km rund um Köln. Da man in der Regel spätestens um 18 Uhr am Auftrittsort eintrifft, muss ich entsprechend um halb vier, vier oder halb fünf in den Wagen steigen, wenn ein Auftritt im Kalender steht. Öffentliche Verkehrsmittel nutze ich auch, sogar gar nicht so ungern. Das bietet sich insbesondere an, wenn man an gemischten Abenden, Comedy-Mixed-Shows, teilnimmt, wo man nur 20 Minuten spielt und nicht so viel Requisite und Kostüm benötigt. Der weit häufigere Fall ist jedoch, dass ich vielerlei Dinge dabei haben muss und nicht auf die Anreise per PKW verzichten kann.

 

An der Location eingetroffen, spreche ich mich mit den zuständigen Leuten, insbesondere mit den Technikern ab. Wir richten die Mikrofone, Zuspielungen und das Licht ein. Ich präpariere meine Kostüme, Perücken und Requisite, so dass ich alles schnell und nach Plan während der Vorstellung zur Hand habe. Ab 19 Uhr oder ab 19:30 Uhr ist meistens Einlass, so dass die Bühne dann spätestens bereit sein muss. Auch der Soundcheck muss bis dahin absolviert sein.

 

Die Programme starten in der Regel um 20 Uhr. Die erste Hälfte endet etwa um kurz vor 21 Uhr . Dann gibt es, wie beim Fußball, 15 Minuten Pause. Die zweite Hälfte dauert etwa 40 bis 45 Minuten plus Zugabenteil. So bin ich in der Regel um 22:15 Uhr durch mit dem Programm. Dann gibt es meistens noch einen kleinen Absacker an der Theke. Man plaudert mit Freunden, Bekannten, Kollegen oder Gästen.

 

Danach erfolgt der Abbau. Alles wird im Auto verstaut und es zurück geht es auf die Autobahn, ab nach Hause. Die Straßen sind dann naturgemäß meistens deutlich leerer als auf dem Hinweg und ich kann zum 4000. Mal mein Lieblingsalbum von Depeche Mode hören. Und während ich dann im dritten Gang heimwärts rolle, kann ich noch einmal die Veranstaltung Revue passieren lassen. Jeder Abend ist anders.

 

Manchmal passieren unvorhersehbare Dinge. Vor allem, wenn man Zuschauer in die Vorstellung einbindet, muss man sich auf Überraschungen aller Art einstellen. Und auch darüber hinaus hat es über die Jahre so einige denkwürdige Momente gegeben. Wenn ich mit den Kollegen zusammensitze, erzählen wir uns immer die tollsten Erlebnisse, die schönsten, lustigsten und schrecklichsten Abende. Fordernd und anstrengend kann der Job schon sein. Auch im Falle einer Pandemie hat er den ein oder anderen Nachteil. Aber ich bin sehr glücklich damit und möchte nichts anderes machen.

 

Zur Person:

Marc Breuer ist Comedian, Kabarettist, Autor und Moderator. Seit über 25 Jahren steht er auf Deutschlands Kabarett- und Comedybühnen. (z.B. WDR Mitternachtsspitzen, Nightwash on tour, Senftöpfchen Theater Köln, Pantheon Bonn, Quatsch Comedy Club). Früher spielte ​er beim legendären Rurtal Trio, , mittlerweile ist er solo unterwegs. Wenn er in eine seiner Paraderollen schlüpft, z.B. Löschmeister Josef Jackels, kommt es immer wieder zu schweren Lachkrämpfen im Saal. Seine Webseite findet ihr unter: https://www.marcbreuer.de/