Borris Brandt: "Das „alte“ Fernsehen ist leider fast aus unserem Schedule verschwunden."

Veröffentlicht am 21. Januar 2023 um 10:45

Höchste Zeit für die erste TVIP-Der Report-Ausgabe im neuen Jahr. Diese kommt von Borris Brandt, seines Zeichens unter anderem ehemaliger Endemol-Chef.

Guten Morgen zusammen!

Es ist so gegen 8 Uhr und unsere Hunde wecken mich… Garten, joggen oder einfach nur in den Wald, die Entscheidung ist wetterabhängig. Und absolut lust- und launegetrieben. Wie eigentlich alles in meinem Leben zur Zeit. Grenzen setzen lediglich die knappen finanziellen Mittel und die Pflichten innerhalb unserer Familie.

So fühlt sie sich also an die Freiheit. Die Arbeitslosigkeit. Die Orientierungsphase und das Runterkommen nach zuletzt elf Jahren Vollgas, 24/7 Bereitschaft, beständigem Risiko- und Alarmgefühl, Kreativität und Innovationen im Sinne glücklicher Gäste und gegen dauernde Zweifel. Die Erinnerung an die zum Jahresbeginn noch gefeierten und für die nächste Zukunft strahlenden Erfolge, wie Halbierung der Kosten und massive Steigerung der Kundenzufriedenheit legen sich warm über Frust und die schwarzen Löcher.

Ich werde heute Laufen gehen… mit Bert & Nelly…. Mina & Ben bleiben zuhause und gehen später in den Garten. Der Herbst zeigt sich von seiner goldenen Seite und Laufen bekommt meinem ganz persönlichen Herbst sehr, sehr gut. Und nur wer im Herbst & Winter an sich arbeitet, kann den Frühling und Sommer kräftig genießen.

Umgezogen führt mich mein erster Weg nach dem Bad in die Küche zur Kaffeemaschine. Ja, was Kaffee angeht, bin ich ein Freak. Delonghi La Specialista, Siebträgermaschine der weltbesten Art. Dazu den Kaffee vom Elbgold in Hamburg oder von Andraschko. Wenig Säure, aber kräftig. Als Cappuccino in der bauchigen Tasse. Herrlich.

Die 8 km durch den Wald heute genieße ich mit einem Podcast. Ich höre viel Podcasts, vor allem politische. Weil ich finde, dass wir heute zwar theoretisch die größe Auswahl an Informationen bekommen könnten, sich aber aktuell die Volksmeinung aus sehr ,sehr einseitigen Mainstreammedien bildet und durch Social Media framing betoniert wird. Noch nie habe ich so eine undemokratische, kritiklose, unjournalistische, fiction- , ideologie- oder moral- statt faktenbasierte Berichterstattung erlebt. Besonders der inhaltliche Niedergang der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist der Gebühren absolut unwürdig.

Die wirre, pharmaindustriegetriebene Coronapolitik, die total wissenschaftsferne Klimadiskussion, der Umgang mit dem Krieg…. eigentlich kann ich als alter, weisser Mann oft nur stammeln: Herr, sende uns Helmut Schmidt zurück… nur ein Jahr… zum aufräumen.

Zuhause angekommen bin ich entspannt, habe Gedanken gedreht, Ideen gehabt, mich mit Pro und Kontras aller Art versorgt und setze mich nach dem Duschen und Anziehen an den Laptop. Hier ein Podcast, da ein inhaltlicher Support für Freunde, dazu ab und an kleine journalistische Aufgaben…. etwas geht immer. Und klar…. what s next…. das wird langsam auch mein Kernthema. Hier oder wo anders ? Was wird 2023? Frei oder fest ? Who know s? Wichtig ist, besonders wenn man schon viel gemacht, gesehen und erlebt hat, im letzten Drittel seiner Arbeitszeit, das zu tun, was man schon immer machen wollte.

Gut, das hab ich die letzten 30 Jahre auch schon gemacht. Aber oft mit doppeltem Sicherheitsgurt über ausgebaute Pisten, einem vollen Tank und wechselnden Beifahrern. Focus ist das Thema! Focus! Wie lernt man nach Jahrzehnten Multitasking, mit den Augen hier, den Sinnen da und den Händen dort wieder Monothematik. Volle Konzentration. Nur eins machen. Eins.

Und genau das bringt mich zum nächsten Tageshighlight. Nach dem Homeoffice (was für ein brillanter Euphemismus in meiner Lage) ziehe ich meine Schießuniform an. Schwarze Red Wings, schwarze Funktionshose, starrer Kreppgürtel mit Magazinhalter und Holster, eng geschlossenes Shirt & Hoodie. Genau, Schießen! Das rät der Psychologe dem zerstreuten und entwurzelten Geist. Schießen! Monothematischer geht es nicht. Nur meine Waffe, das Ziel und ich.

Als ich anfing, war ich froh, aus sieben Metern eine 50x50 cm große Pappscheibe zu treffen, heute gelingen mir, an guten Tagen, mit meiner CZ Shadow 1 oder dem Colt Python 357, Volltreffer auf 15 und 20 Metern. Das kontrollierte Herbeiführen einer Explosion, direkt vor meinem Gesicht, die Haltung, das Atmen, das langsame ziehen am Abzug und das Warten auf den Bruch…und dann das eindeutige Ergebnis im Bruchteil einer Sekunde. ein wirklich extrem fordernder Vorgang. Und Therapie. Weil man macht ein, zwei Stunden genau eine einzige Sache. Schießen. Kein Handy, keine Ablenkung, keine Ausreden…. nichts.

Dazu trifft man sich mit Gleichgesinnten, führt Fachgespräche über Waffen, Technik, Munition, anstehende Wettbewerbe, man lernt von jedem der besser ist als man selber, man ordnet sich unter und ein, man ist ein kleiner Teil einer neuen Gemeinschaft und wächst mit seinen Leistungen…. Alles ganz weit weg, von all dem, was mich die letzten Jahre getrieben und beschäftigt hat. Reha sozusagen.

Mittlerweile ist es Nachmittag und ich sitze nochmal am Schreibtisch. Allerdings nur bis 18 Uhr, weil dann gibts Abendbrot und "First Dates", gefolgt vom "Perfekten Dinner". Ist irgendwie zum Fernsehritual geworden. Und später, wenn sich dann der Abend über das Land legt, dann gleiten wir hinüber zu Netflix, Amazon & Co.

Heute das Sequal von BOSCH …. Amazon… grandiose Krimiserie…. und morgen dann die ersten drei Folgen der neuen Staffel von "Unsolved Mysteries“. Das „alte“ Fernsehen ist leider fast aus unserem Schedule verschwunden. Klar, ein bisschen Trash-Reality wie das Sommerhaus, Promi BB oder den Dschungel gucken wir noch. Und „Wer stiehlt mir die Show“ natürlich…das für mich originellste, bestproduzierte Format der letzten 10 Jahre….aber sonst ?

Lieber gute Fiction, oder Dokus aus den „neuen Quellen“ ! Ach ja…. und YouTube: „Achtung Reichelt“ finde ich handwerklich top gemacht! Und „Stimmt - Der Nachrichten-Talk“ auch! Besonders, weil es mir gerade wie vielen geht: Vertrauensschwund in unsere klassischen Medien! Aus Gründen!

Zur Person : Borris Brandt, 61, gelernter Werbekaufmann, war 1998-2000 ProSieben-Programmdirektor, 2000 bis 2009 CEO Endemol und danach elf Jahre Geschäftsführer der Aida Entertainment GmbH, steht vor allem für Effizienz & Innovation! „Mit Freunden gemeinsame Ziele erreichen“ ist sein Motto und genau das macht er jetzt mal in einer ganz anderen Branche. nachaltiges, bezahlbares Wohnen für den Mittelstand…